Wechselgeld

Hatten Sie schon einmal erlebt, wie eine kleine Ursache eine große Wirkung nach sich ziehen kann? Zur Vermeidung dessen hilft nicht: „Aus Erfahrung wird man klug“! Weshalb? Weil so viele kleine Zufälle eine unvorhersehbare Rolle spielen. Aneinandergereiht, ergeben sie eine Ereigniskette wie beim Dominoeffekt, nur dass dieser voraussehbar ist.

Es fing bei einem keinen Wunsch an, dem Urbedürfnis, bei Hungergefühl etwas Essbares zu bereiten oder etwas „auf die Schnelle“ zu kaufen. Überall findet man Stände, von denen Herr Schobermann weiß, an denen er etwas Fertiges kaufen kann, seien es Burger, Pommes, Bratwurst, Pizzen oder auch „Tellergerichte“, verpackt in Styropor, damit es nicht kalt ist, bevor man zu Hause ankommt.

 

„Ich fahr‘ dich eben hin, das dauert ja nicht lange, bis sie’s fertig haben“, zog sich Herr Schobermann nur eine Jacke über die leichte Haus-Bekleidung. Das Thermometer zeigte minus 3 Grad an. Kein Grund zur Beunruhigung, dass er unterwegs erfrieren könnte.

Der Parkplatz war frei. Frau Schobermann stieg aus, und beide wunderten sich, dass um 11 Uhr weder der Vietnamese noch der deutsche Anbieter, beide hier ansässig, noch nicht mit ihren Autos neben ihren mobilen Verkaufsstand-Anhängern angekommen waren.

„Es ist um elf!“ bemerkte Frau Schobermann und sah auf die Uhr.

„Die werden schon gleich kommen!“ beschwichtigter er seine Ehefrau. „So pünktlich kommt kein Maurer!“

Nach einer Viertelstunde des Wartens hielt es Frau Schobermann nicht mehr auf ihrem Beifahrersitz. „Ich gehe schon mal kucken.“

„Tu‘ das!“ ermunterte er sie. Sie wanderte hin und her. Er fing in seinen Hausschuhen an zu frieren. Nach 15 Minuten kam eine Frau und öffnete wenigstens den einen Stand. Frau Schobermann kam gleich heraus mit der Sprache. „Ich habe aber nur 50 Euro, können Sie diese wechseln?“

„Bedaure, nein,“ war die Antwort.

 

Frau Schobermann begab sich schnurstracks zum nahegelegenen EDEKA-Supermarkt. Einige Zeit verging. Inzwischen waren die Burger fertig. Frau Meyer kam an den Wagen und fragte Herrn Schobermann, ob er was trinken wolle. Er lehnte dankend ab. Jetzt kam auch seine Ehegemahlin zurück, sehr erbost, und polterte los: „Drei Kassiererinnen wollten mir doch nicht wechseln, und auch der Bäcker hatte kein Wechselgeld. Stell‘ dir das mal vor!!“

Ihr Mann versuchte, sich das vorzustellen.

„Beruhige dich erst einmal. Wir kriegen das schon irgendwie hin!“

„Ich soll mich beruhigen, wo die so frech zu mir waren!“

„Die waren nicht frech. Sie haben wahrscheinlich ihre Vorschriften, und der Bäcker hatte kein Wechselgeld in seiner Kasse!“

„Ergreife du auch noch Partei gegen mich. Du bist mein Mann und sollst mich verteidigen, das ist deine Bestimmung!“

„Nun mal langsam, du bist nicht objektiv!“

„Jetzt schlägt’s aber dreizehn!“ rief sie außer sich und schlug mit ihrer Faust gegen die Konsole der Armatur. Danach riss sie die Tür auf ihrer Seite auf, verschwand und ward nicht mehr gesehen.

„Kommt Ihre Frau denn wieder?“ fragte Frau Meyer vom Verkaufswagen aus.

„Das weiß ich nicht!“

„Hat sie denn gesagt, wohin sie wollte?“

„Nein, hat sie nicht. Ich werde sie suchen gehen.!“ Zuerst suchte er sie zu Fuß, dann war es ihm aber doch zu kalt im Hausanzug, und so setzte sich wieder ans Steuer und fuhr ein paar Biegungen.

Nichts.

Er kehrte zum Verkaufswagen zurück.

„Nehmen sie doch die Sachen jetzt mit, sie sind heiß!“

„Das Geld hat sie. Ich habe keins bei mir. Ich fahre jetzt nach Hause und hole Geld. Bin gleich wieder zurück.“

Unterwegs bemerkte er, dass sie den Hausschlüssel bei sich haben musste.

 

Blitzschnell überlegte er, ob er nach Hause fahren, den Ersatzschlüssel aus dem Versteck nehmen,

beim Nachbarn klingeln oder zu einer befreundeten Familie fahren sollte, um sich Geld dort zu borgen.

Schließlich entschied er sich für die umständlichste Lösung mit dem doppelt so langen Fahrtweg. Aus der Apothekeneinfahrt fuhr gerade ein LKW heraus, der ihm die Vorfahrt nahm. Mit einer Notbremsung brachte Herr Schobermann sein Auto zum Stehen.

„Ein Unfall hätte jetzt noch gefehlt!“, dachte er mit Grausen, während er nach dem Bremsschock eine Pause einlegte.

Beim Einbiegen auf den großen Parkplatz des Supermarktes sah er sie mit einer Dose Cola in der Hand am Verkaufswagen stehen. Inzwischen war eine Stunde vergangen.

„Durst ist schlimmer als Liebeskummer“, fiel ihm nichts Besseres ein. „Ich habe auch nur einen Fuffi!“ und zeigte diesen hoch.

Inzwischen war der Ehemann von Frau Meyer gekommen. Der konnte wechseln. Herr Schobermann stand im Weg. Eine Radfahrerin kam mit ihrem Rad nicht durch.

„Müssen Sie denn mir hier den Weg versperren!“ rief sie laut und klingelte mit der Fahrradglocke noch lange, als schon „die Gefahr“ vorüber war. Erwähnenswert, dass sie auch noch zwei andere Wege zur Durchfahrt mit ihrem Rad hätte wählen können.

Die beste Ehefrau von allen beendete diese „Pannen-Serie“ mit dem Satz: „Stell dir vor, ich war bei der Bank. Die am Schalter verwiesen mich an einen Wechselautomaten draußen in der Vorhalle.“

Mit dem Automaten war sie offensichtlich nicht zurechtgekommen. Sie wollte danach wieder hinein an den Bankschalter, berichtete sie, da sei die Tür schon wegen der Mittagspause geschlossen gewesen. „Der Fünfziger war und war einfach nicht kleinzukriegen!“ waren ihre letzten Worte.

 

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