Fahrstuhl

Fahrstühle und Aufzüge sind ein Segen der Menschheit!

Aber „Fahrstuhl“ – was für ein deutsches Unwort, dachte sich Herr Schobermann.

„Erstens kann ich mich im Fahrstuhl nicht setzen. Es ist also kein Stuhl zum Fahren.
In der Regel gibt es keine Sitzbank im Fahrstuhl. Nur zur Zeit des Jugendstils baute man Bänke in die zum Teil gläsernen Fahrstühle ein, mit sehr viel verschnörkeltem Holz drum herum, wie der sehenswerte, 1897 gebaute, in der Reha- Klinik „Teufelsbad“ in Blankenburg. Oder der im „Adlon“ am Brandenburger Tor in Berlin.

„Ich fahre nicht, sondern werde durch einen physikalischen Mechanismus in die Höhe gehoben oder schwebe nach unten“, erklärte einmal Herr Schobermann seinen 12 Enkeln, wenn er mit ihnen unterwegs war.

Ähnlich ist es mit dem Heißluftballon. Man „fährt“ in dem Korb.
Eigentlich ist es ja ein Flug. „Fahren“ bedeutet für Schobermann zu Lande oder zu Wasser eine Vorwärts- oder Rückwärtsbewegung, im schlimmsten Fall eine Drehbewegung wie in einem Karussell.

Das Ausland gebraucht nicht einmal das Wort „fahren“.
„I’m going by ship. I’am going in the elevator”, sagen die Engländer.
сесть на кора́бль oder Я еду на корабле : (YA yedu na korablje) ; idti = gehen (idjot= (er,sie, es ) geht, wobei im Russischen das Verb „gehen“ viel häufiger gebraucht wird als im Deutschen: „Der Regen geht“ („Doschdick idjot“)

Aufzug, Elevator, Lift, Aufzug für Baumaterialien und Bauarbeiter, sagen die Leute. „Speisen-und Geschirraufzüge“ im Hotel gibt es im Miniformat in Hotels. Bei letzteren zog der noch kleine, im Kindesalter gewesene Schobermann im Kriegssommer 1942 in der Hotelküche an einem Seil. Ein Aufzug mit dem schönen teuren Geschirr sauste in die Tiefe und schlug hart auf. Sein Onkel, Bruder seines Vaters und Betreiber des Hotels „Friedrichshöhe“ in Oberbärenburg (Osterzgebirge), sprach drei Tage nicht mit seinem Neffen.

In Paternostern hatte Schobermann immer seine aufregenden Momente, wenn er über den oberen Drehpunkt fuhr, einen gewissen Nervenkitzel, den „Kick“, wie man so sagt.
Heute sind Paternoster so gut wie ausgestorben, das heißt, sie werden wohl nicht mehr gebaut.

Auf Tuchfühlung mit anderen, beim Erinnern an eine sehr gebräuchliche Redewendung, kann man in der Reha-Klinik in Blankenburg im Fahrstuhl kommen.
Zum Beispiel, wenn alle zum Essen hinunter in den Speisesaal wollen, riecht man nicht nur Deos und Parfüms aller Himmelsrichtungen. Diese mischen sich, bei Frauen auch noch auch noch mit dem Duft der Gesichtscreme. Eine solche Geruchsmischung besonders wenn ein Knoblauchesser dabei ist, der auf diese heilsame aus Asien stammende Zwiebelknolle mit ihrem ätherischen stark riechendem Öl nicht verzichten kann, kann verheerende Folgen haben. Schobermann bemerkte, wie manche Menschen sich die Nase zu oder überhaupt die Luft anhielten. „Ich spüre seinen heißen Atem im Nacken“. Diese Redewendung würde man hier wohl weniger gebrauchen, obwohl sie auch im Fahrstuhl hätte zutreffend sein können, wenn man unter Klaustrophobie leidet, oder wenn man sich von jemandem bedroht fühlt. Platzangst kann sogar in Panikattacken enden.

Menschen verhalten sich wie in anderen Extremsituationen auch im voll besetzten Fahrstuhl unterschiedlich. Die Mathematiker, meistens Männer, rechnen laut aus, wie die Gesamttragekraft der Fahrstuhlkabine, geteilt durch die Anzahl der in der Kabine anwesenden Personen zu teilen wäre. Schobermann schließt sich aus, indem er mit seinen 100 kg den Leuten erklärt, er sei ausgesprochen schlank und wiege nur sehr wenig.

Manche blicken unentwegt zu Boden, als wollten sie nicht erkannt werden.
Andere „Fahrstuhlpassagiere“ stehen mit dem Gesicht zur Wand, weil sie die bedrückende Nähe anderer nicht ertragen können. Manche machen Witze, wenn man zu lange warten muss, zeigen Ungeduld, weil der Fahrstuhl mal wieder einmal zuerst in den 12. Stock und nicht ins gewünschte Erdgeschoss fährt und überall hält. Manche machen ihrem Ärger darüber lauthals Luft und schimpfen auf die Technik, weil es ihnen nicht schnell genug geht und der Fahrstuhl wider Erwarten unnötig lange steht oder erst gar nicht kommt. Dann hört man Sprüche wie „Technik ist was Feines, wenn sie funktioniert“.

Andere wieder schauten Herrn Schobermann die ganze Zeit mit stieren Augen an, was ihm nicht behagte. Wehe, ein Smartphone klingelte! Dann blickten alle ohne Ausnahme feindselig auf den Benutzer des Handys.

Manches Mal hielt der Lift in jedem Stockwerk, und niemand stieg ein oder aus.
War das ein Schabernack? Wenn ja, dann ein schlechter!

Eine sehr stolz aufgerichtete Dame begegnete Herrn Schobermann im Aufzug.
Sehr hübsch, elegant gekleidet, unauffällig, apart geschminkt, die blonden Löckchen frech in ihrer Stirn hängend, mit grazilen Händen und rosa Krällchen, von denen sich jeder Mann wünschen könnte, die würden ihn verwöhnen. Dabei eine echte Lady, distanziert, doch mit einem bezaubernden Anflug eines Lächelns. Ihr Alter war ganz schwer einzuschätzen. Jede Bewegung saß.

„Sie weiß, was sie will!“ erkannte Herr Schobermann und fing plötzlich an zu stottern: „Fa-fahren Sie auch bi-bis zur Vier ?“ hauchte er ihr halb ins Ohr.

„Normaler Weise tue ich das, aber heute will ich mal hoch hinaus auf die Aussichtsplattform, aus der Enge hier hinaus und ein wenig frische Luft schnappen.“

„Da haben Sie aber noch eine weite Tour vor sich!“ wurde Herr Schobermann mutig.
„So weit nach oben! Ist das nicht ein bisschen riskant, so allein?“ gab er zu bedenken, „Brave Mädchen kommen in den Himmel, böse Mädchen eben überall hin!“

„Hallo!!!“ , schaute sie ihn ganz erstaunt mit ihren himmelblauen Augen an. „Achten Sie doch darauf, dass Sie als Antagonist auf der Gegenseite nicht zu tief landen, denn da unten ist es bekanntlich ziemlich heiß!“ konterte sie. „Da haben sich schon mal Leute verbrannt!“

Noch ein besonderes Erlebnis hatte er wiederum im Fahrstuhl.
Er traf einen Mann, dessen Bekanntschaft er wegen dessen witziger Art und auffälliger Sportkleidung bereits gemacht hatte. Der sportliche Typ bewegte beugend seine Knie auf und nieder.

„Hallo!! Seit wann benutzen Sie denn einen Fahrstuhl?“

Der so Angesprochenen wollte nicht zugeben, dass er aus Bequemlichkeit die Treppen nicht mühevoll erklimmen mochte:

„Sie werden‘s mir nicht glauben, die Treppe ist außer Betrieb!“

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