Spatzen

Der Haussperling war der Vogel der Kindheit von vielen. Tschilpend saß der kleine Geselle auf der Fensterbank mancher Kriegs- und Nachkriegswohnung der Vierziger-Jahre.
Die Spatzen haben in Hecken und efeubewachsenen Hausfassaden ihren Treffpunkt und ihre Schlafstätte. Das Gezwitscher und Gezirpe im Efeu war stets von weitem zu hören. Sie erzählten sich wohl, was sie am Tag erlebt hatten. Plötzlich, als hätte einer „Ruhe!“ gerufen, verstummen alle. Dieses Phänomen findet man heute nicht mehr oft. Leider sind nur noch sehr wenige Fassaden efeubewachsen. Die Gesamtpopulation ist auf viel mehr als die Hälfte des Bestandes von 1950 geschrumpft., inzwischen ist der Sperling auf der Roten Liste.

Kein Tier ist freiwillig durch Anpassung so zahlreich in die menschlichen Siedlungen eingedrungen wie der Spatz, lateinisch Sperling

Das gilt auch für die Städte wie New York und dem im Winter sehr kalten Moskau.
Was das Futter betrifft, so werden Imbissbuden belagert, aber auch Parks werden bevorzugt, weil sie dort meist gefüttert werden. Spatzen haben gelernt, dass Menschen, die sie füttern, ihnen nichts antun.

Koexistenz zwischen Haustier (besonders Pferd), Mensch und Spatz. Vielfach werden Touristen mit Pferdekutschen gefahren. Und wo es noch Pferdekutschen oder Droschken gibt, ist der Spatz zu Hause. In Stallungen fällt in der Regel immer Futter für Spatzen ab. Tierischer Müsliriegel ist der Pferdeapfel. Von den Körnern, die Pferde gefressen haben, bleiben im Pferdeapfel eine Menge unverdaut übrig. Kleingärtner bevorzugten Pferdeäpfel mit Vorliebe als Dünger, daher der „Run“ der Spatzen – und der Menschen, die sich in den Notzeiten über die Pferdeäpfel der Pferde, an Wagen gespannt, her machten.

Was der Markusplatz in Venedig an Tauben hat, hat Paris an Spatzen. Kein Gemäuer der Welt beherbergt so viele Spatzen wie Notre Dame, wo Maria Stuart einst verheiratet und Napoleon gekrönt wurde.

Adamos Spatzenlied „Verzeih‘n Sie, Madame“ ist zum Rühren. Das Lied hat viele Leute zu Tränen gerührt, wenn er es sang („Die alte Dame und die Spatzen“)

Aber auch das Spatzenlied, gesungen von der legendären Sängerin der Dreißigerer-Jahre des 20. Jahrhunderts, Pola Negri, ging um die Welt, so dass es sogar amerikanische Orchesterleiter wie Norman Chandler bis in die in die 7oer-Jahre instrumental in ihr Programm aufnahmen.

Liebevoll nenne und nannten die Franzosen Edith Piaf den „Spatz von Paris“. Und „Spatzi“ bleibt wohl immer ein Kosename für verliebte junge Leute. Auch für kleine Kinder.

In Sprichwörtern genannt und in Volksliedern und Schlagern besungen wurde der Sperling bis hin zu dem „Frecher kleiner Spatz auf dem Kinderrad“.

Der Spatz ist ein sehr alter Vogel; schon in der Bibel wird er in einem Gleichnis genannt: Werden fünf Spatzen nicht für ein paar Pfennige verkauft? „Gott keinen einzigen. Selbst die Haare auf eurem Kopf sind gezählt. Seid ohne Angst, ihr seid mehr wert als ein ganzer Schwarm Spatzen.“( Lukas 12, 6-7.)

Mozart hat beispielsweise die weltberühmte „Spatzenmesse“ komponiert.
Es gibt viele Weisheiten und Sprichworte über diesen unscheinbaren Vogel.
„Wenn Spatzen und Hühner im Staub baden, gibt es Regen.“
„Es ist besser ein junger Spatz zu sein, als ein alter Paradiesvogel.“
„Besser ein Spatz in der Hand als ein Rebhuhn in der Luft.“
„Die Spatzen pfeifen es von den Dächern.“
„Man soll auf Spatzen nicht mit Kanonen schießen.“
„Auch wenn man den Sperling mit Mehlwürmern füttert, er wird keine Nachtigall.“
„Besser einen Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach.

Die Zahl der Spatzen hat sich weltweit weit mehr um die Hälfte verringert. Die meisten Spatzen fallen dem Verkehr zum Opfer. Fallen sie in China über die Felder her, werden sie erbarmungslos geschossen und auch gegessen.

Spatzen sind nicht unbedingt treu. Es passiert schon mal, dass ein Weibchen oder ein Männchen fremd geht, und der Partner die Jungen allein füttern muss. Fallen beide Eltern aus, so gibt es tatsächlich fremde Spatzen, die die verwaisten Jungen füttern. Das Hunger-Piepsen oder -tschilpen von Jungspatzen klingt so erbärmlich herzzerreißend, dass man verstehen kann, weshalb es zuweilen „Fremdversorger“ gibt.

Genistet wird, wo sich Schutzhöhlen bieten: in Ampelanlagen, Rohren, Mauerspalten, Dachrinnen,
Blechdosen und alten Kochtöpfen auf Schrotthaufen. Das Schwarmverhalten dient den Spatzen zum Schutz. Im Schwarm fühlen sie sich vor Katzen, Mardern und Sperbern sicherer.

Zeitlos und zum Rühren wird das folgende Gedicht von Christian Morgenstern bleiben:
Es wurde zum „Kultgedicht“ vieler Mütter und Ehefrauen:
Die drei Spatzen
In einem leeren Haselstrauch,
da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch.

Der Erich rechts und links der Franz
und mittendrin der freche Hans.

Sie haben die Augen zu, ganz zu,
und obendrüber, da schneit es, hu!

Sie rücken zusammen dicht an dicht.
So warm wie der Hans hat’s niemand nicht.

Sie hör’n alle drei ihrer Herzlein Gepoch.
Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.

(Christian Morgenstern 1871-1914, deutscher Schriftsteller, Dichter)

At last but not least, kann man auch Wilhelm Busch nicht auslassen:
Ich rief: Spatz, komm, ich füttre dich!
Er faßt mich scharf ins Auge.
Er scheint zu glauben, daß auch ich
Im Grunde nicht viel tauge.
(Wilhelm Busch, „Der Spatz“)

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