Die schlaue Dana

„Ein Euro sind doch gar nichts wert!“ rief Dana (10) ihrem Opa zu.
„Dafür kann ich mir ja nicht mal ein Päckchen Tickers¹), ein Milchshake oder einen Burger kaufen!“
„Du sollst ja auch nicht so viel naschen. Außerdem sind viel Zucker und viel Fastfood ungesund.“
„Was hat das denn mit dem einen Euro zu tun? Ein Euro bleibt ein Euro!““
Der Opa musste ihr Recht geben. Er hätte über den Wert des Geldes sprechen und sie nicht ermahnen sollen.


„Na gut“, lenkte er ein. „Du bekommst jeden Tag einen Euro Taschengeld, dann kannst du ja auf die Dinge sparen, die du einmal haben möchtest.“
„Ich möchte aber jetzt schon, sofort und auf der Stelle meine Wünsche erfüllt sehen!“ begehrte sie trotzig auf und stampfte mit dem Fuß auf den Boden.
„Das bekommt niemand, was du verlangst. Dafür gibt es viele Sprichwörter wie „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not!“ Oder: „Viele Wenig machen ein Viel!“ Und da ist dann noch das Märchen vom Fischer und seiner Frau, die nie zufrieden war.“

Mehr provokativ als demonstrativ holte sie sich eine Schale mit Knabberzeug und fing vor den Augen ihres Opas sich Kartoffelchips und Kekse in den Mund zu stopfen.
„Du immer mit deinen doofen Sprüchen! Die kannst du behalten!“
„Weißt du, wenn du dir jeden Tag alle Wünsche erfüllen könntest, dann hättest du auf einmal keine Wünsche mehr. Das ist so, wie wenn ein sich satt gegessener Mensch noch viel mehr und noch vieles Andere weiter essen würde als er könnte. Dann müsste sich übergeben und könnte krank werden. Wenn man sich täglich jeden Wunsch erfüllen könnte, wäre er nichts Besonderes mehr, auf das man sich freute.“
Dana tollte auf einmal umher und rief: „Lass‘ uns „Stadt,Land,Fluss“ spielen.“
Dazu war Opa natürlich bereit.
Dana bestimmte die Spielregeln, die Opa allerdings anders kannte.
„30 Punkte für den, der ein Wort geschrieben hat, wenn die anderen Mitspieler keines dafür gefunden haben. 20 Punkte, wenn mindestens zwei Mitspieler ein Wort aus der Liste gefunden haben. 10 Punkte bei gleichen Wörtern, 5 Punkte bei Punktgleichheit als eine Art Strafe durch Abzug.“
Opa seufzte: „Wer hat sich bloß dieses komplizierte Punktesystem ausgedacht?°
Atemlos rannte Dana nach Zetteln und zog anschließend senkrechte Striche per Hand darauf, teilte die Zettel in fieberhafter Emsigkeit aus.
„Darin tragt ihr alles ein!“ bestimmte sie.
Natürlich war sie die Spielführerin.
Ich sage jetzt „A“ und Einer von euch sagt nach einer gewissen Zeit „Halt“
„G“ kam an die Reihe.
Am Schluss las ihre Oma „Genf, Ghana, Garonne, Gürtel , Geldbörse (als Gebrauchsgegenstand), Gürtel (als Bekleidungsstück), Giraffe , Geranie“ vor-
Dana, voller Siegerstolz: Ich habe „Großstadt Berlin. Großes Land , Großelbe, gerissene Gardine, Geldautomat, geleimtes Spielzeug, große Schlingpflanze, goldene Kette, Goldfarn. Ich habe 270 Punkte!“
Opa war erstaunt über Danas Rechen-Fantasie.
Er selbst hatte in träumerischer Erinnerung nur das kleine Flüsschen Gera gefunden, über die eine Brücke in Erfurt führt, auf der Wohnhäuser stehen, eine Touristenattraktion, wohl einmalig in Europa.
„Dafür bekommst du 5 Punkte!“ rief Dana forsch.
Opa dachte über sich nach: „Dieses Defizit gegenüber 270 holst du im ganzen Leben nicht mehr auf.“ Dana lenkte ihn ab und brachte ihm eine der Katzen. Sie schien sich auf Opas Schoß nicht besonders wohl zu fühlen und krallte sich fest. An Opas Pullover bildeten sich kleine Schlingen.
„Na, ein Pullover kostet ja nicht so viel. Jetzt denke ich schon so wie Dana: wegwerfen und neu kaufen. Davon lebt ja unsere Wirtschaft.“

Er war gespannt darauf, wie Dana reagieren würde:
„ Hast du dich denn über den Zuckermais gefreut, den ich mitgebracht hatte?“
„O ja, die Katzen haben sich sehr gefreut. Sie mögen ihn nämlich sehr.“
Mit dieser Begründung bekommt sie in der Küche „ihren“ Mais, den sie so gern mag.
Der Opa wusste bis dahin nicht, das Mais auch als Katzenfutter angebaut und im Handel auch als Katzenfutter vertrieben wird.

Die Hauptsache war, Dana hatte im Spiel gesiegt. Sie war aber immer noch nicht zu bremsen.
Von irgendwo her zauberte sie ein Trinkglas vollen glipschigen grünen Schleimes hervor.
„Was hast du da!“ rief Opa entsetzt. Laut und ängstlich schrie er „Iiiiiiiiii! Nimm das weg! Ist das nicht der Blob, der Schrecken aller Genervten und friedlichen Menschen?“„Ach iwo!“ versuchte Dana den Opa zu beruhigen. Das ist doch nur Knete. Man muss dem Glibberkram nur noch einen Härter hinzufügen, und schon können wir damit kneten.
Opa wehrte ängstlich ab. „Lieber nicht!“, weil er sah, dass sie eine mehlartige Substanz umher streute, so dass auch die Tischdekoration ein anderes Aussehen bekam.
Nichtsdestotrotz puhlte Dana die schleimige klebrige Masse aus dem Glas, wobei die Hälfte an den Seiten und auch sonst, wer weiß wo, haften blieb. In einem weiteren Gefäß aus Muttis sauberer Küche rührte sie behende das Gemenge mit all‘ ihrer Energie.
„So“, rief sie triumphierend, „jetzt können wir kneten!“
Opa verging bei Tisch der Appetit. „Besser nicht!“ gab er zur Antwort. „Ich habe Angst und möchte in Ruhe essen!“
Dana wandte sich anderen Dingen zu, vergaß aber nicht, wie sie bei Opa Angst und Schrecken verbreiten konnte.
Nach einer Weile ihres gedankenverlorenen Malens spürte Opa, dass sie irgendetwas im Schilde führte – das war sogar anscheinend von ihr geplant gewesen. Ihre Mutter mahnte sie schon mehrmals: „Wer wäscht denn jetzt das Glas ab? Du hast doch noch mehr Gläser dieser Art benutzt?“ Dana reagierte überhaupt nicht darauf. Ihre Augen blitzten den Opa an: „Wollen wir zusammen Gläser sauber machen?“
Welcher Opa hätte auf dieses liebenswürdige verlockende Angebot noch nein sagen können?

Opa dichtete:
Hintergründig und durchtrieben
ist die Dana, meine Lieben.
Wenn Opa kommt und durstig ist,
gebraucht sie aber keine List,
bringt Wasser ihm und deckt im Nu
liebevoll den Opa zu.

 

¹) süßer Riegel, Name geändert

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