Weshalb einfach, wenn’s umständlich geht?

Mit meinem Enkel zusammen zu sein, ist für mich immer ein Erlebnis.

Wie jeder andere hat natürlich auch dieser Enkel seine Ecken und Kanten.

Wir, meine Ehefrau, er und ich, kamen freudvoll, satt und zufrieden aus einer Gastwirtschaft, und er fungierte als Fahrer. Dem Fahrer hat man als Beifahrer nicht reinzureden, heißt es.

Kennen Sie einen Beifahrer, der nicht plötzlich aufspringen will und nicht ruft: „Da kommt was von rechts!“ oder „Pass auf, da kommt ein Hindernis!“ Das Hindernis, ein LKW, verhält sich ganz ruhig, denn es parkt auf der rechten Straßenseite da, wo es parken darf. Es hütet sich davor, „zu kommen“.

Vor „Holpern“ wird in der Regel nicht durch Verkehrszeichen gewarnt, weil es solche Verkehrszeichen nicht gibt. Da habe ich nichts dagegen, den Mund aufzumachen und dem nicht ortskundigen Fahrer auf diplomatisch rücksichtsvolle Weise mitzuteilen, dass in Bälde mit einem „Holper“ zu rechnen wäre.

Das Beruhigende am Enkel ist, dass er meine Äußerungen weder wertet, bewertet noch kommentiert.

Er tut das Beste, was man in einer vermeintlichen Stress-Situation zu tun hat, nämlich weder zu streiten noch über den Sinn von „Holpern“ zu diskutieren. Es heißt ja beispielsweise in Bussen immer: „Nicht mit dem Fahrer sprechen!“

Er hatte sich auf der Abbiegespur von Winsen weg zur Autobahn hin orientiert, während ich in der Ampel-Haltephase auf der Kreuzung ihn daran erinnerte, in Richtung Hoopte geradeaus zu fahren.

„Nein!“, erwiderte er in vorbildlicher Korrektheit, indem er seinen Oberkörper gerade aufrichtete.

„Das geht jetzt nicht mehr.“

„Es ist doch kaum jemand auf der Kreuzung, das kannst du das doch ausnahmsweise mal machen.“

„Nein, das ist nicht erlaubt! Wenn jeder das machen wollte…!“

So bog er also ab in die „falsche Richtung“

„Sei so nett und benutze die nächste Einfahrt zum Wenden!“, erlaubte ich mir diesen Vorschlag zu machen.

„Nein!“ lehnte er dieses Ansinnen ab, „Wenn das jeder machen wollte, auf ein fremdes Grundstück zu fahren…“

„Es ist nicht sein Grundstück. Die gepflasterte Einfahrt gehört im Prinzip zur Straße, also zur Stadt“.

Er war nicht umzustimmen.

„Dann nimm wenigstens die nächste Einmündung in eine Straße nach rechts!“ Das tat er.

Nach einer langen Fahrt ohne Straßenabzweigungen nach rechts endete dieser Verkehrsweg in einer Sackgasse.

„Wir werden hier wenden!“ konstatierte mein Fahrer. „Außerdem sind hier Schulen, Kindergärten und die Feuerwehr.“

Er hatte mich überzeugt, hier zu wenden und den Weg zurückzufahren. Im Falle einer Übernachtung hätten meine Frau und ich die Zahnbürste und den Schlafanzug nicht dabeigehabt.

Auf die Hauptstraße zurückgekehrt, bog er nicht nach links ab, sondern glaubte, wie er sagte, rechts abbiegen zu müssen.

Also fuhren wir weiter, jetzt noch weiter weg in die entgegengesetzte Richtung unserer ursprünglichen Zielsetzung.

Ich wagte einzuflechten, dass bis zum Kreisverkehr zur Autobahnabfahrt noch einige Straßen zum Wenden „kämen“. Ungerührt fuhr er weiter.

Nun lohnte es nicht mehr, umzukehren, denn jetzt war der Weg nach Hause dem Weg nach Hoopte gleich.

„So nimm wenigstens jetzt die Abkürzung des bekannten land- und forstwirtschaftlichen Nutzverkehrsweges durch die Feldmark“, verlor nun meine Frau die Geduld. Möglicherweise dachte sie dabei an die gestiegenen Benzinpreise.

Nein, so etwas mache ich nicht!“ war die lakonische Antwort.

„Moment“, fiel meiner Frau ein gesegneter rettender Gedanke ein, den wir bei einer Begegnung mit einer Polizeistreife schon einmal erfolgreich angewendet hatten. „Wir haben da einen Vertrag mit dem Apfelplantagenpächter Klaus Rehmers, der sich am Apfelhandel betätigt. Hier dürfen wir jederzeit zu ihm kommen.“

„Es werden aber jetzt im Frühjahr keine Äpfel geerntet“, warf der Enkel folgerichtig ein.

Ich bemerkte kleinlaut, dass wir erkunden müssten, ob genug Bienchen und genug Apfelblüten

vorhanden wären, damit wir für das nächste Halbjahr wegen der Apfelring-Rösterei planen könnten.

Unsere Kunden hätten schon danach gefragt.

Auch bei diesem Argument ließ er sich selbst als Nutznießer der wohlschmeckenden Apfelringe nicht überzeugen.

„Wisst ihr“, wurde meine Frau jetzt ärgerlich, „ich habe keine Lust mehr, ich möchte jetzt nach Hause. Ich pfeife auf den Fähranleger und die Fische. Ich kann mir meine Fische auch im Supermarkt kaufen!“

Was machte der Enkel? Stur wie ein Panzer fuhr er den ganzen Weg vom „Autobahnkreisel“ wieder in die Stadt zurück, und von dort über Stöckte nach Hoopte. Dort hielten wir uns nicht lange auf. Wir wollten nach der Irrfahrt alle nach Hause zu einer gemütlichen Tasse Kaffee.

„Weißt du, was du bist? Ein sturer, unverbesserlicher Pingel!“ kritisierte ich seine absolut korrekte Fahrweise und schimpfte auf die deutsche Bürokratie, die ausnahmsweise mal nichts dafür konnte.

Zu Hause stellte ich eine Frage zu Robbie. Mein Enkel hatte den Rasenmäher-Roboter und seine Ladestation eingerichtet. “Weshalb hast du mitten auf der Rasenfläche Feldsteine aufgebaut? Wolltest du Robbies Kampfeslust damit erproben?“

„Ja, weißt du, Opa, da stand ein Blümchen im Gras, und ein Bienchen saß drauf. Das Bienchen und das Blümchen wollte ich nicht stören. Die Steine habe ich um das Blümchen herum gestellt, damit

es geschützt war.“

Das hat mich dermaßen berührt, dass alles über sein Fahrverhalten als erledigt zu betrachten war!

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