Die Kreuzfahrtschiffe werden immer größer und mondäner. Ich bin froh, dass ich da nicht mitfahre. Ein kleiner Segler war bisher mein größtes Schifffahrtsvergnügen. Gern wäre ich mal mit einem Frachtschiff mitgefahren, aber das habe ich in meinem bisherigen Leben verpasst. In der Illusion meiner Vorstellung war es sicherlich anders, als wenn ich wirklich mitgefahren wäre.
Jeden Tag nur auf die Wasserwüste schauen, nein.
Das größte Kreuzfahrtschiff, das ich auf dem Fernsehschirm sah, soll zehnmal größer sein als die Titanic. Wenn das einen Eisberg rammt, dann sinkt der Eisberg! Das Schiff soll 6.000 zahlende Passagiere und 1.200 Besatzungsmitglieder inklusive der Geschäftstreibenden auf der „schwimmenden Stadt“ aufnehmen, hat 89 bordeigene Restaurants und wegen des üppigen Speiseangebotes an Bord zwölf gut besuchte Änderungsschneidereien.
Damit ich vom Bug zum Heck kommen kann, besteht die Möglichkeit, drei Buslinien in Anspruch zu nehmen, die im Zweiminutentakt fahren. Sollte ich zwischendurch auf einen Wanderweg, ein Minigolf- oder ein Tennisturnier Lust bekommen, könnte ich direkt an jeder Bus-Haltestelle ein extra Zimmer für die Nacht buchen. Textilgeschäfte für Sportbekleidung finde ich gleich neben den Sportanlagen Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten und Dancing-Bars gibt es überall an jeder Ecke.
Den Luxus auf der schwimmenden Kleinstadt überbieten 35 Schwimmbäder und ein 115 Meter hoher Wasserfall, 13 Spielsalons, 25 Friseure, ebenso viele Kosmetikstudios, 40 Scheidungsanwälte, 10 Psychologen, 22 Detektive und 14 Seelsorger, davon neun mit Beichtstühlen. Das ist nötig, denn bei so vielen Menschen sind Untreue, Spielsucht, Blinde Passagiere und kriminelle Handlungen einzukalkulieren.
Die Fahrgäste reden untereinander nur vom Kapitänsdinner, dem Höhepunkt der Kreuzfahrt. Smoking und Abendkleid, in den unzähligen Boutiquen zu bekommen, sind dabei Pflicht. Ich stelle mir vor: Ich muss mich für 1.000 Euro zum Affen machen, damit ich mit Florian Silbereisen in Kapitänsuniform speisen kann, während fünfzig Musiker aufspielen und eine Zauber-, Gesangs- oder Artistik- und Akrobatikshows über die Bühne gehen.
„Hallo, Herr Silbereisen! Was verschafft mir die Ehre? Singen Sie heute noch, oder darf ich wohl mal mit auf den Film, der hier gedreht wird? Gewissermaßen so als Komparse?“, habe ich mir als Konversationsthema eingeprägt.
Früher haben die Leute zu einem Schiff gesagt: „Schiff ahoi!“
Aber wenn sie heute so ein monströses Wasserfahrzeug sehen, rufen sie „Hoi, an Schiff!“
Wer es mag, soll sich an den dieselbetriebenen Traum-Riesen erfreuen.