Flucht in die Sachwerte

„Putin droht mit Krieg!“ heißt es allgemein auf deutschen Straßen und in den Haushalten.

Unser Heizungsinstallateur besuchte uns, meine Frau und mich, überraschend am Abend.

Er setzte sich, bekam sein Bier und wirkte irgendwie geheimnisvoll. Flüsternd sah er sich nach allen Seiten um und wirkte dabei wie der grün gefärbte Schlemihl aus der Sesamstraße:

„Es ist an der Zeit, dass ihr der galoppierenden Inflation entgegenwirkt!“ Das geschah im März 2023. Der Ordnung halber nenne ich das heutige Datum. Es ist der 24. März 2024.

„Ich habe da eine Heizungsanlage für euch, wie ihr noch nie so eine Sahneschnitte gesehen habt.

Sie braucht kaum Heizöl und ist wegen der beginnenden Lieferschwierigkeiten nur einmal vorhanden. Habt ihr Platz in der Garage? Dann deponieren wir die vielen Pakete bei euch!

Allerdings fallen 17.000 €uro Materialkosten an, die ich sofort bezahlen muss.

Diese Heizung ist gegen eure alte 30 Jahre alte Anlage mit nichts zu vergleichen und lässt sich mit einem Hebel auf Gas umstellen. Gas gehört mittelfristig die Zukunft. Drei Flüssiggas–Terminals sind bereits in Betrieb. Worauf wartet ihr noch?“

Viele Pakete rollten am nächsten Tag an. Die Garage war vollgestellt. Unser Auto stellten wir draußen ab.

Am übernächsten Tag kam der Mann wieder.

„Mein Sohn hält eine Toilette für euch bereit, die noch unausgepackt ist, ein hohes Becken hat und auf Schienen in die Wand eingefahren wird. Die 1.200 €uro Materialkosten muss er aber gleich bezahlen. Auch diese Verpackungen samt Inhalt müssen in eure Garage. Ich möchte mal so viel Platz haben wie ihr.

Bedenkt, dass jetzt täglich kontinuierlich alles teurer wird, besonders das Bauen und die technischen Anlagen wie die euren.“

Im November saßen wir mit zwei neu gekauften Elektro-Heizlüftern im Pullover, Mantel und Ohrenschützer mit Pudelmütze frierend im Wohnzimmer, die Arme um den zitternden Körper schlagend, als der Installateur erneut abends bei uns klingelte und mit einem Kollegen die Pakete aus der Garage in den Heizungskeller transportierte.

„Kein Problem!“ machte er uns Mut: „Weihnachten habt ihr’s warm!“

„Was ist mit dem Klo?“ wagte ich zu fragen.

„Nun, erst einmal ist das eine gute Kapitalanlage, die ihr nie bereuen werdet. Andere legen ihr Geld in Aktien an, das ist risikoreicher! Im Sommer fangen die Arbeiten an, da geht es dann richtig los!

Mein Sohn wird sich um alles kümmern! Er steht quasi schon in den Startlöchern.“

„Ja, aber ein Jahr ist schon um, nachdem wir das Material bezahlt hatten“, versuchte ich einzuwenden.

„Macht euch keine unnötigen Sorgen. Das wird schon!“ beruhigte er meine Frau und mich.

„Lebe ich dann noch? Ich bin immerhin schon 88 Jahre alt!“

„Wie ich dich kenne, machst du das schon, Helmut. So, wie du gebaut bist! Das wollen wir jetzt begießen. Schenk‘ schon mal einen Schnaps ein, es können auch zwei Gläser voll sein! Deine Nachbarn werden neidisch auf dich sein, wenn du ihnen von deiner Anlage erzählst!“

Ich überlege mir, ob ich nicht meine Bank anrufe und ihr mitteile, dass ich Sachwerte in ein Bankschließfach deponieren möchte. So quasi als festverzinsliche Kapitalobligation.

Allerdings reicht ein Schließfach nicht aus, ich müsste einen alarmgesicherten Raum im Keller der Bank mieten, damit der kostbaren Toilettenanlage, getarnt in Kartons neutral verpackt, nichts geschieht. Aber was mache ich dann, wenn sich das herumspräche? Dann würden alle Kunden ihre gebrauchten oder ungebrauchten WCs wegen zu erwartender Zinserträge als Wertobjekt in ihrer Bank unterbringen wollen. Ob die Banken da mitmachen?

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