Kuhfladen-Bingo

Als Junge faszinierte Herrn Schobermann auf den saftigen Wiesen des Allgäus und des Erzgebirges die Teller großen braunen und grünen Fladen der Kühe.

Nicht nur das Melken mit den Händen interessierte ihn, sondern die Fladen förmigen Ausscheidungen dieser für sein Empfinden mächtigen friedlichen Haustiere.

Er machte es so richtig zum Sport, mit einem Stock voller Wucht abwechselnd in einen braunen und dann in einen grünen Fladen hinein zu stechen.

Das erwies sich bei den „frischen“ als besonders wirkungsvoll. Keinen der vielen ließ er aus.

Jedes Mal rief er „Bingo!“ ¹)

Die grüne Masse spritzte ihm um die Ohren und erinnerte ihn an püriertes Spinatgemüse.

Im Bauernhaus schimpfte man mit ihm über seine grün gefleckte Kleidung und steckte ihn in eine Wanne.

Zur Freude aller berichtete er ausführlich beim Abendessen über seine Erlebnisse des Spritzens der grünen Masse.

 

Viele Jahre später wohnte er während seiner Wochenend-Freizeit bei einem Volksfest im Calenberger Land, nördlich des Deister, gelegenheitsweise durch einen Lehrgang „Fußball in der Schule“ in Barsinghausen bei.

 

Im Mittelpunkt der Feierlichkeiten zum Erntedank stand das Kuhfladen-Bingo. Eine Kuh: wurde am Nachmittag auf ein in 400 Planquadrate unterteiltes Spielfeld geführt. Auf einem der Felder würde das Tier dann binnen 30 Minuten einen Fladen fallen lassen, so hofften die Organisatoren. Alle spielfreudigen Besucher ab 18 durften mit 10 D-Mark auf das Feld wetten, auf dem der Haufen des Tieres landen würde. Ein Großteil dieser Summe ging als Spende direkt an die Barsinghäuser Tafel.

Das Gewinnerfeld war mit dem Hauptpreis von 1.000 D-Mark dotiert, alle angrenzenden Felder gewannen jeweils 100 DM. Die Mitspieler konnten beliebig viele Tipps abgeben. Lagen mehrere Tipps für das Gewinnerfeld vor, wurde der Geldbetrag geteilt. Für den Fall, dass die Kuh binnen 30 Minuten keinen Fladen fallen lassen würde, zählte das Feld, auf dem sie dann mit dem linken Vorderhuf stand.

Eine Folklore-Tanzgruppe, eine Musikband, ein Spielmannszug, eine Trachtengruppe, ein Kinderkarussell und Ponyreiten für die Kinder rundeten zum Vergnügen Herrn Schobermanns als Rahmenprogramm die Veranstaltung ab.

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In einen Kuhfladen ist wohl jeder schon mal getreten.

Einige abergläubischee Menschen sagten, mit links hinein getreten bringe Glück, machte man Herrn Schobermann weis, mit rechts aber das Gegenteil.

 

Eine Ameise wurde von einem Kuhfladen getroffen und brauchte gute zwei Stunden, um sich herauszuarbeiten. „So‘n Schiet‘ aber auch!“ meint sie, „genau auf´s Auge!“

 

Und auch eine sibirische Nachtigall machte eine Erfahrung mit einem Kuhfladen.

Die ersten Frühlings-Sonnenstrahlen erweckten sie zum Leben, aber ein plötzlicher einsetzender Frost ließ sie erstarren und zu Boden fallen.

Eine zufällig vorbeikommende Kuh ließ einen Fladen auf sie fallen. Die Nachtigall, zu neuem Leben erweckt, steckte ihren Schnabel aus dem Fladen und jubilierte laut.

Das hörte ein Adler und stürzte sich auf sie, zog sie aus dem Fladen und verschlang sie.

Das Fazit aus der Geschichte, dachte Herr Schobermann:

Nicht jeder, der einen Fladen auf dich setzt, ist dein Feind.

Nicht jeder, der dich aus dem Fladen herauszieht, ist dein Freund.²)

Aber merke: Wenn du schon in der Schiete sitzt, dann jubiliere nicht noch!

 

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Anmerkung:

 

Weitere „Bingos“ dieser Art hat Schobermann im schweizerischen Allgäu, in Niedersachsen und in Schleswig-Holstein entdeckt, wo diese Tradition als Volksfest noch heute fortgesetzt wird.

 

 

¹) Dieses alte Spiel war Schobermann bekannt wie „Strichmännchen zeichnen“ oder die „Zupfblume“. Sehen oder darauf setzen, was als Letztes übrig blieb.

²) Unter Männern ist es erlaubt, weil die Pointe effektiver wirkt, wenn man sich bei dem Wort „Fladen“ vulgärer ausdrückt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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