Aus dem Weg!

Das ist wirklich keine schöne Aufforderung!

Ebenso wenig wie „Platz da!“
Das darf höchstens der Kartoffelsalat sagen, nachdem der zehnte Schnaps den Magen erreicht hat
und der Kartoffelsalat die Schnäpse fragt: „Wer hat euch denn geschickt?“
Die Schnäpse antworten wahrheitsgemäß: „Uns hat der Meier ausgegeben!“
„Platz da!“ schreit der Kartoffelsalat, „den Meier muss ich mir ansehen!“

Gegenüber der Einmündung einer sonst wenig belebten Straße stand ein Riesen-Kranfahrzeug,
das den Inhalt von drei Bauschuttcontainern in sich aufzunehmen hatte, indem sich ein oben auf der Ladefläche fest installierter Kran nacheinander im Zeitlupentempo drehte, seinen beweglichen Arm auf den Bürgersteig herab senkte und von einem stämmigen Arbeiter in Latzhose genau über
den Container gelotst werden sollte.
Der Fahrer im Kran-LKW bediente dabei auf Zeichen seines Kollegen die Schaltelektronik
Auf dem Bürgersteig musste jeweils jeder Container einzeln mit einem Haken und einem daran befestigten Drahtseil in die dafür an den Containern angeschweißten Ösen eingehakt werden.
Dabei gab er seinem Mitarbeiter das Kommando zum Hochziehen und Auskippen des Containers
durch Handzeichen.
Der LKW nahm über die Hälfte der Straßenbreite ein. Mit Millimeterarbeit wären ja nun die
in beiden Fahrtrichtungen wartetenden PkWs vorbei gekommen, hätten hinter der Einmündung
und in der Einmündungsstraße nicht parkende Autos gestanden.
Die Autofahrer warteten geduldig.
Eine ältere Frau, die mit ihrem Wagen aus der Einmündungsstraße kam, konnte weder einfahren noch zurücksetzen..
Sie stieg aus und schrie die beiden am Kranfahrzeug arbeitenden Männer an:
„Fahren Sie sofort weg! Sie behindern den Verkehr!“
„Welchen Verkehr?“ fragte der Stämmige der beiden Männer zurück.
Ich muss zur Arbeit, verliere meinen Job, darf nicht zu spät kommen!“
„Wir machen hier nur unsere Arbeit.“ sagte der andere LKW-Fahrer ruhig.
„Nein, Sie blockieren die Straße! Fahren Sie sofort weg! Ich werde Sie anzeigen!“ rief die Frau außer sich.
Nu man ganz sinnig, mien Deern, Du kommst heute noch von hier weg, so wahr ich hier stehe!“
„Sie sollen hier nicht stehen, sondern Ihr blödes Fahrzeug wegfahren! Außerdem lasse ich mich nicht von Ihnen duzen!“ ereiferte sich die Frau.
Die Kavaliere am Steuer ihrer PkWs drehten genüsslich ihre Scheibe herunter und erfreuten sich an dem Schauspiel. Es waren alles Männer, und keiner stand ihr bei.
„Ich hole jetzt die Polizei, die soll Sie einsperren. So etwas wie Sie gehört hinter Schloss und Riegel!“ schrie die Frau die beiden stämmigen Männer an, die inzwischen aufgehört hatten, Ihren Kran weiter zu bedienen.i
„Tun Sie , was Sie nicht lassen können, junge Frau. Aber halten Sie uns nicht von der Arbeit ab!“
Jetzt werden Sie auch noch frech! Ich will Ihren Vorgesetzten sprechen. Geben Sie mir seine Nummer!“
Amüsiert hörten die anderen wartenden Autofahrer dem Spektakel zu und genossen offensicht-
lich das Schauspiel.
„Sie hindern mich mutwillig daran, zu meiner Arbeit zu kommen!“ regte sich die Frau weiter auf.
„Wenn Sie es so eilig haben, Gnädigste, gehen Sie doch zu Fuß! Blasen Sie sich doch nicht so auf!“
„Ich werde Sie wegen Beleidigung verklagen. Das wird sie teuer zu stehen kommen!“
„Schön blass bleiben, sagt Klappenbach. Aufregung verkürzt das Leben!“
„Ich lasse mir von Ihnen nicht vorschreiben, wann ich mich aufrege!“
Die Männer winkten sich verstehend zu, und einer sprach die wenig schmeichelhaften Bezeichnungen „Zimtzicke“ und „Ätztussi“ aus.
Gemächlich stiegen sie in den LKW, fuhren ein Stückchen vor und machten damit endlich Platz für die wartenden Autofahrer.
Alle Männer lächelten in ihren Fahrzeugen, fuhren grüßend aneinander vorbei, während die Frau noch immer an der Straße stand. Sie, die es doch so eilig und um Ihren Arbeitsplatz Angst hatte.

Unwillkürlich musste ich an die alte Lesebuch-Geschichte von Annodunnemals denken:
„Die beiden Fuhrleute“,
die sich nicht einigen konnten, wer in einem Hohlweg Vorfahrt hat.
Was früher die Kutscher der Pferdefuhrwerke nicht konnten, erleichtert den Autofahrern heute die Technik. Mit dem Aufblenden geben Sie vor einer Straßenverenung bei nicht eindeutig geregelter Vorfahrt dem entgegenkommenden Fahrer zu verstehen, dass sie ihn vorlassen wollen.

Es geht doch nichts über Höflichkeit und den Kavalier am Steuer, auch wenn er manchmal nur
amüsiert und scheinbar unbeteiligt zuschaut.

 

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