Zur Zwiebel geführt

Die Zwiebel, auch Zwiebellauch, Bolle oder Zipolle genannt, gehört zur Familie der Lauchgemüse.

Als Kinderrätsel stand früher in vielen Lesebüchern:

Ich habe keinen Schneider und hab‘ doch sieben Kleider. Wer mir sie auszieht, der muss weinen und sollt‘ er noch so lustig scheinen.

„Guten Tag, Herr Friebel, sagte die Zwiebel!“ sprach meine Mutter, die gerne ein wenig Wortklauberei betrieb, wenn sie in Zeiten des Zweiten Weltkrieges mit mir Gemüse putzte.

Sie wurde nie müde, im Garten Möhren und Zwiebeln in eine Saatreihe zu bringen, weil sie der Meinung war, die Zwiebelpflanzen hielten Schädlinge von den Mohrrüben fern.

Wilhelm Busch stellte die Zwiebel als Beigabe zum Essen armer Leute dar, indem er schrieb: „Die Zwiebel ist des Juden Speise“ in seinem lustigen ABC-Bilderbogen. Da ihm womöglich ein anderer Pflanzenname mit dem Anfangsbuchstaben Z nicht einfiel, wollte er doch nur lediglich damit andeuten, dass die Juden als bescheidene, einfache und wirtschaftlich arme Volksgruppe galten. Er hat übrigens nie Menschen beleidigt oder angeklagt, sondern sich lediglich über die Kriegsgegner Deutschlands vom Krieg 1870/71 in Wort und Karikaturzeichnung ein wenig lustig gemacht, wie das in allen Ländern bei der Presse üblich war.

In der japanischen Philosophie gibt es den Begriff des Zwiebellebens.

„Ich war, wie die Japaner sagen, wie eine Zwiebelhaut beim Schälen, und die Erkenntnis, die ich daraus erlangte, war manchmal desillusionierend zum Weinen.“ *)

Über unsere Landesgrenzen hinaus ist der erhitzte Zwiebelsaft als geeignetes Mittel gegen Erkältung zum Einnehmen bekannt.

!945 im Herbst Fahrt mit der Reichsbahn und Dampflokomotive in Wagenklasse 3 mit Holzbänken

in den Abteilen auf einem eingleisigen Schienenbett. Die ungeliebten Russen als unsere Besatzer waren dabei, Schienen, Lokomotiven und ganze Fabriken zu demontieren, um sie in ihre siegreiche ruhmreiche Sowjetrepublik abzutransportieren.

Meine Schwester sollte in Georgenthal eine Arbeitsstelle antreten. Ich stand als kleiner Bruder in ihrer Obhut.

Im dortigen Gasthaus gab es Essen nur gegen Kartoffeln in natura oder Kartoffelmarken aus der zugeteilten Lebensmittelkarte. Ich hatte zufällig in der Nähe ein Kartoffelfeld entdeckt, klaute von dort unbemerkt mit meiner Schwester einige Kartoffeln und wusch sie in einem nahe gelegenen Bach. Danach trocknete ich die brauen Knollen mit meinem Unterhemd.

In einer braunen Papiertüte überreichte ich die Kartoffeln der Wirtin, und wir bekamen ein wundervolles Essen:

Schmackhafte geröstete Zwiebelringe mit Marmelade, Apfelmus und Kartoffelbrei und einer angebräunten Mehlschwitzensoße stillten unseren Hunger. Die Wirtin sah uns beim Mampfen zu und brachte noch „Nachschlag“. Als „Brüderchen und Schwesterchen“ gingen wir wohl in die Geschichte dieses Gasthauses ein. Die Wirtin stellte uns in Form von Eigenwerbung ihrer Hilfsbereitschaft den übrigen einheimischen Gästen vor. Wir wurden ab da immer nur „Brüderchen und Schwesterchen“ genannt.

Jedem von uns gab sie eine mit Zwiebelringen versehene Schmalz-Stulle mit auf den Weg.

Eine wahre Delikatesse, ein wahrer Schatz in der Not- und Hungerzeit nach dem Krieg!

Meine Frau führte mich später zur Zwiebel, denn sie ist noch heute eine hervorragende Köchin. Durch sie habe ich die Zuneigung zur Zwiebel gewonnen. Abbildungen von Holzkirchen mit Zwiebeltürmen in Russland aus dem 18. Jahrhundert erregten mein Interesse schon allein dadurch, dass ich mich als Kind besonders für Türme und Erker interessierte. Von dort oben aus hatte man eine tolle Aussicht!

Das Verb „zwiebeln“ hat die Sprache wohl vom Weinen abgeleitet, denn wenn eine Person gezwiebelt wurde, erlitt sie seelischen oder körperlichen stechenden oder brennenden Schmerz.

Auch eine gezwiebelt zu kriegen war keine besonders schöne Erfahrung, dass den Gezwiebelten Hören und Sehen verging, entweder seelisch durch Anblaffen, oder, indem sie etwas auf die Ohren bekamen. Was die Augen betrifft, so leitet sich das Wort von der Schärfe der Zwiebel ab, die dazu führt, dass die Augen brennen und tränen, wenn man die Knolle schneidet.

 

*

Gast: „Das Schnitzel schmeckt wie ein alter Hauslatschen, den man mit Zwiebeln eingerieben hat!“

Ober: „Donnerwetter! Was Sie nicht schon gegessen haben!“

*

Von jetzt an kommt die Zwiebel bei mir an jedes Essen dran, nur nicht an den Schokoladenpudding!

 

__________________

Anmerkung:

*) Ich habe mir erlaubt, das Englisch des Zitates ins Deutsche wie oben zu übersetzen:

„It was what we Japanese called the onion life, peeling away a layer at a time and crying all the while.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert