„Wer gut schmiert, der gut fährt!“ erinnert sich Schobermann an dieses alte Sprichwort aus der Zeit der Postkutschen.
In jungen Jahren hörte er betagte Männer beratend diesen Satz sagen.
Frauen benutzen diese „Lebensweisheit“ nie.
Es reiche bei Frauen wohl aus, dass sie dem Mann schöne Augen machten oder „ihm“ seine Lieblingsspeise zubereiten würden, dachte er so bei sich.
Die Achslager der Kutschen und Droschken mussten ständig gefettet werden, damit sie wegen der Gleit -und Rollreibung nicht heiß und trocken liefen.
Das Sprichwort wird noch heute im Volksmund angewendet, wenn sich jemand einen Vorteil aus seiner Position und Handlungsvollmacht verschafft oder ihm ein solcher angeboten und zuteilwurde.
Männer fragen häufig: „Was springt denn bei der Aktion für mich heraus?“, wenn sie jemandem eine Gefälligkeit erweisen sollen. Das Wort „Schmiergeld“ nahmen nur Neider in den Mund, die wie Herr Schobermann nichts von einer Annahme von Vorteilen hielten.
Winzer aus dem Südwesten brachten ihre defekten Maschinen zum Kundendienst, denn diese mussten schnellstens repariert werden. Zeit kostete die Landwirte Geld, weil sie mit ihrer Arbeit nicht weiter kamen.
Ein Karton von gleich vorsorglich mitgebrachten Spitzenweinen sorgte meist für ein Wunder und war wohl das Mindeste, was man als Vorgabe leisten konnte, damit der Leiter des Kundendienstes nicht sagen konnte:
„Einen Monat müssen Sie schon warten. Der Andrang ist groß. und wir haben krankheitsbedingt viel personelle Ausfälle!“
Die Weinbauern konnten stattdessen dann hören: „Ich will sehen, was sich tun lässt! Kommen Sie morgen wieder vorbei“ So erlebte Herrr Schobermann als Zeuge mit Genugtuung, dass alle am Schluss zufrieden waren.
Firmen konnten früher beim Oberbaurat Bau- und Montage-Aufträge „außer der Reihe“ erteilt bekommen, wenn ihre „Unterhändler“ ein lukratives Angebot unterbreiteten.
Bekam Herr Schobermann einen Bonus vom Grossisten ¹) als eine „kleine Aufmerksamkeit“ in Form einer Flasche Wein, eines Klappkalenders und eines Kugelschreibers zu Weihnachten, so sagte er sich reinen Gewissens:
„Ich erlaube mir, das anzunehmen, denn kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, heißt ebenfalls ein altes Sprichwort.“
Daher war er auf die Leiter des Ein- und Verkaufs nicht neidisch, wenn die eine Kiste echter kubanischer Zigarren oder einen Karton feiner Obstbrände erhielten. Schließlich trugen beide die ganze Verantwortung, dass die Produktion und der Vertrieb florierten.
Zum Glück gibt es heute diese Art von Bestechung in Deutschland nicht mehr.
Herrn Schobermann fiel mit Einführung des Euro auf, dass die Großzügigkeit der Menschen immer mehr abgenommen hat, je mehr Geld sie verdienten.
Indessen jubelte Frau Schobermann voller Stolz: „Ich kann mir auf reelle Weise Vorteile im Supermarkt verschaffen. Meine Treue zum Supermarkt wird ab jetzt belohnt! Ich benutze eine Payback-Karte und sammele Treue-Punkte! Ist das nicht wundervoll?
Mein Einkauf bekommt einen neuen Sinn. Möchtest du dir nicht die schöne glänzende Karte mal ansehen? Für 100 Euro Einkauf im Supermarkt bekomme ich 10 Cent geschenkt, Treue-Rabatt nennt sich das und zahlt sich am Ende aus! Was sagst du jetzt? und die bekomme ich postwendend an der Kasse ausgezahlt!“ Natürlich geht dieses Geld für unsere zahlreichen Enkel in den Spartopf!
Ihr Ehegatte brummte: „Noch eine Karte mehr! Dein Portemonnaie quillt ja schon über vor Payback-Karten. Die Märkte haben dich jetzt total voll im Griff. Sie beherrschen dich!
Früher gab es wenigstens noch Rabatt-Marken. Erinnerst du dich an Kaisers Kaffee-Geschäft mit der lachenden Kanne auf dem Logo?
Da klebten unsere Kinder die Marken noch auf eine Doppelkarte. Wenn die mit 50 Marken voll war, bekam man eine Drei-Mark-Gutschrift. Obendrein noch ein Fußball-Bild für ein Album, das an
Tankstellen für viel Geld verkauft wurde.
Freilich, die Karten wurden nie voll. Überall lagen sie herum.
Noch heute finden sich in Aktenordnern, Zigarrenkisten und Blechdosen im Keller und auf dem Dachboden Rabatt-Marken vergangener Zeiten. Aber es war dennoch schön damals, findet Herr Schobermann. Die Kaufmannsfrau redete einen noch mit Namen an und fragte nach der Gesundheit der Kinder.
„Weißt du noch? Er gab verbilligte qualitativ hochwertige Bruchschokolade, in buntes Seidenpapier eingewickelte Apfelsinen, Gurken und Sauerkraut aus dem Fass und Bonbons für die Kinder aus einem Riesen-Bonbonglas. Das Einkaufen im unübersichtlich engen Tante-Emma-Laden, das Handeln und Feilschen auf dem Markt oder in einem südländischen Basar machten Spaß, hatten einen gewissen Unterhaltungswert und vermittelten Herrn Schobermann durch die verschiedenartigsten Gerüche so etwas wie Urlaubsstimmung und das Gefühl, Geld sei noch etwas wert.
Nicht fehlen durfte der Bakschisch ² ) beim Friseur, dem Zimmersteward im Hotel oder dem Ober im Restaurant, die Kiste Bier den Maurern und Zimmerleuten auf der Baustelle.
Gab man im Restaurant ein fürstliches Trinkgeld,
hörte man hinterher:
„Beehren Sie uns bald wieder, der Herr!“
Zur Dame: „Küss‘ die Hand, gnädige Frau!“
Man kannte sich durch das Trinkgeld. Auch wenn man keinen Tisch bestellt hatte, hieß es: „Für Sie, Herr Schobermann und Ihre reizende Gattin, haben wir trotz Überfüllung noch immer einen Tisch an einem unserer schönsten Plätze!“ „
Seufzend erinnerte sich Herr Schobermann an jene zuvorkommende Bedienung.
„Zu seiner Zeit“, als er tanzen ging, sagte man zur Kellnerin noch „Fräulein“.
Wie sagt man bloß heute? Bestimmt nicht „Oberin“. Aber wie? „Hallo!“? Klingt burschikos.
„Bedienung!“ ist unhöflich und nicht „weltmännisch“. Noch schlimmer, wie er hörte, dass jemand schrie: „Zaah’n!“³)
Am schlimmsten war für ihn, dass jemand mit einem Löffel auf den Teller schlug. um auf sich aufmerksam zu machen.
Einmal ist es tatsächlich vorgekommen, dass der Ober bei Ankunft der Schobermanns sagte: „Tut mir Leid! Sie haben einen Tisch bestellt, Herr Schobermann, das ist richtig. Von Stühlen aber hatten Sie nichts gesagt!“
Der Mann hat Humor, kam den Schobermanns in den Sinn, als er und seine liebe Ehefrau sich von ihrem ersten Schrecken erholt hatten.
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Anmerkung:
¹) alte Bezeichnung für Großhändler
²)Bakschisch ist als eine Art Trinkgeld ,international üblich (obligatorisch in der Schweiz 15%, in Brasilien 10% und in Kanada 15-20%). Nur in Japan, in China, Singapur, Norwegen, Dänemark, Finnland, Island, Luxemburg, Slowenien, Estland und Kasachstan gibt man kein Trinkgeld. Da gilt Trinkgeld als Beleidigung bis unüblich, weil bereits im Service enthalten.
(Quelle: exoticca.com).
³) „Zahlen!“ (Übersetzt: „Ich möchte um die Rechnung bitten!“